Knieschmerzen, Rückenschmerzen, überdehnte Muskeln und Bänder – kaum ein Yogi, der sie noch nicht erlebt hat. Dabei hören wir beim Yoga doch sehr genau in unseren Körper hinein. Wie kann es dann zu Verletzungen und Schmerzen kommen?
Meist liegt die Ursache in eingeübten Fehlhaltungen – aber auch der Ehrgeiz ist nicht unschuldig. Er flüstert uns leise ins Ohr „der Muskel/das Gelenk muss sich nur dran gewöhnen“, wenn wir leichte Schmerzen beim Üben spüren. So ändern wir nichts, statt nach der Ursache zu suchen.
Die gute Nachricht ist: Verletzungen lassen sich verhindern, wenn man die typischen Fehler kennt und diese beim Üben immer wieder durch-checkt. Worauf du in deiner Yoga-Praxis achten kannst, habe ich einmal aus meiner Erfahrung zusammengefasst: 10 häufige Yoga-Fehler, die zu Verletzungen führen.
Inhalt
Häufige Yoga-Fehler, die zu Verletzungen und Schmerzen führen
1. Knie-Schmerzen im Lotus aushalten.
Bestimmt kennt jeder Yogi dieses Ziehen im Knie, wenn er den Lotus-Sitz übt. Oder auch in Tryanga-Haltungen (das Gegenteil vom Lotus, wenn der Unterschenkel nach außen geht). Oft sagen wir uns, das Knie muss sich nur daran gewöhnen. Ich muss die Pose nur oft genug üben, dann verschwindet es von allein. Doch so funktioniert es nicht.
Die Rotation des Beins kommt aus der Hüfte, nicht aus dem Knie. Das Knie hat nichts, woran es sich gewöhnen kann. Durch Dehnung wird es nicht flexibler für die Außenrotation (Lotus) oder Innenrotation (Tryanga) der Beine. Es bekommt jedoch den starken Zug der Muskeln und Bänder ab, wenn die Hüfte noch nicht bereit ist.
So entsteht der bekannte Schmerz im Knie, der sogar chronisch werden kann, wenn er zu lang ignoriert wird. Denn die Überlastung kann zu langfristigen Verletzungen führen.
Besser ist:
Statt das Knie zu überfordern, lege den Fokus auf die Hüfte. Arbeite an der Hüftöffnung und verbessere hier die Innen- und Außen-Rotation. Dies entlastet das Knie in solchen Posen und der Schmerz verschwindet.
Wenn deine Hüften noch nicht so weit sind, übe statt des Lotus lieber den Schneidersitz oder Halb-Lotus.
Das ist übrigens eine Daumenregel für alle Posen: Wenn das Knie schmerzt, liegt es in oft an muskulären Dysbalancen. Sei bei Schmerzen also bitte achtsam und gehe aus der Haltung hinaus.
2. Die Knie durchdrücken
Viele überdehnen ihre Knie sehr in Vorbeugen. Die Beine beschreiben dann fast einen Halbmond, wobei die Knie nach hinten durchgedrückt werden. Das ist ganz fies fürs Gelenk, denn: Wenn hinten überdehnt wird, wird vorne zusammengedrückt. Die Rückseite der Knie wird überstretcht – während auf der Vorderseite zu viel Druck entsteht.
Früher oder später führt dies zu Schmerzen im Knie. Sind die Knie-Gelenke einmal so stark überdehnt, gehen sie in der Regel nicht wieder in die stabile Struktur zurück. Aber es gibt ein paar Tricks, wie du deine Knie unterstützen und gesund halten kannst.
Besser ist:
Falls du zu überdehnten Knien neigst, achte in allen Asanas mit geraden Beinen darauf, deine Knie leicht anzuwinkeln. Bestimmt hast du schon vom berühmten „Micro-Bend“ oder der „Mikro-Beugung“ gehört. Genau die brauchen wir.
In stehenden Positionen wie Vorbeugen oder Balance-Haltungen bedeutet das: Beuge dein Knie ein klitze-kleines bisschen. Für dich fühlt es sich vielleicht an, als ob du das Knie deutlich beugst. Aber von außen sieht das Bein gerade aus. Du kannst es vor dem Spiegel üben, um ein gutes Gefühl für den Micro-Bend zu bekommen.
In sitzenden Vorbeugen empfehle ich dir, ein kleines Polster unter dein Knie zu legen. So wird dein Knie nicht auf die Matte durchgedrückt. Das Polster kann ein eingerollter oder umgeschlagener Yoga-Gurt sein, ein Augenkissen, ein Schal oder einfach ein T-Shirt. Was auch immer du da hast. 😉
3. Zu viel dehnen, zu wenig Kraft aufbauen.
Eine Lektion, die ich selbst schmerzhaft lernen durfte. Gerade im Ashtanga verbringt man sehr viel Zeit mit Vorbeugen. Die Hamstrings werden gedehnt wie verrückt. So tritt ein Problem auf, das viele Yogis kennen: Schmerzen in den Beinrückseiten. Aber nicht an den Muskeln – die Bänder sind es, die schmerzen.
Woran liegt das? Durch die regelmäßige Praxis und das viele Dehnen haben die Muskeln gelernt, loszulassen. Die Dehnung findet dann nicht mehr im Muskel statt, sondern verlagert sich auf die Bänder und Faszien. Dadurch werden sie überlastet und entzünden sich. Deshalb treten die Schmerzen an den Sitzhöckern und oberhalb der Knie-Rückseiten auf. Nämlich dort, wo der Bänderansatz ist.
Mehr dehnen hilft hier nicht, sondern verschlimmert die Situation nur noch. Tatsächlich hilft nur: eine Pause. 😉 Und zwar solange, bis die Entzündung sich gelegt hat.
Besser ist:
Statt Dehnung brauchen die Muskeln mehr Kraft, um ihre Spannung zurückzuerhalten. Nutze die Pause also, um deine Beinrückseiten zu trainieren. Zur Vorbeugung empfehle ich dir auch, regelmäße Kräftigungs-Übungen in deine Praxis oder Workouts zu integrieren. So schaffst du eine wunderbare Balance aus Kraft und Flexibilität.
Mein Tipp, wenn du mehr über die Therapie von typischen Verletzungen und Beschwerden erfahren möchtest: Das Buch „Der Yoga Doc“ von Dr. Ronald Steiner *
4. Die Schultern hochziehen.
Denn das führt zu fiesen Nackenverspannungen. Wer das nicht als Verletzung sieht, hatte wohl noch keine starken Verspannungen – zum Glück. 😉
Bei Arm-über-Kopf-Asanas und Vorbeugen neigen wir dazu, die Schultern nach oben zu den Ohren zu ziehen. Denn das täuscht uns vor, tiefer in die Pose zu gehen. Die Schultern sollten aber gar nicht mitarbeiten, sondern entspannt nach unten sinken. Sonst verkrampft sich die Schulter- und Nackenmuskulatur, was sogar zu Kopfschmerzen führen kann.
Besser ist:
Sage dir in diesen Posen immer wieder vor: Schultern runter und weg von den Ohren. Lasse sie bewusst nach unten gleiten und halte sie ganz entspannt.
5. Mit Muskelkraft in Asanas hineinziehen oder –drücken.
Hallo Ehrgeiz, hallo Ego, da seid ihr ja! Nämlich immer dann, wenn man sich in eine Asana hineinzieht oder –drückt. Besonders häufig passiert es in Vorbeugen, wenn man sich so wunderbar an den Beinen oder Füßen heranziehen kann. Aber auch in Twists und Rückbeugen lässt sich mit Kraft gut nachhelfen.
Das Problem: Die Muskeln, Bänder und Gelenke waren noch gar nicht so weit. Sonst wären sie ja von allein dort hingegangen. 😉
Dass Muskeln und Bänder überdehnen und Gelenke in ungesunde Positionen kommen können, wissen wir eigentlich alle. Aber es passiert schneller, als man denkt. Denn meist hält man in solchen Kraft-Akten auch noch die Luft an, was die Feinfühligkeit für den Körper reduziert.
Besser ist:
Nutze deinen Atem und gehe mit jeder Ausatmung etwas tiefer. Das bringt dich sicher und nachhaltig auch tiefer in die Pose hinein. Respektiere dabei deine Grenzen und lasse dich nicht von falschem Ehrgeiz leiten.
Denn die Ironie an der Sache ist: Vom Überdehnen kann die Flexibilität langfristig sogar geringer werden. Durch die Überlastung entstehen kleine Risse im Gewebe, die vernarben und das Gewebe so weniger geschmeidig machen. Darunter leidet letztlich die Beweglichkeit.
6. Zu viel Druck im Schulterstand auf den C7-Halswirbel geben.
Dieser eine Wirbel, der am untersten Punkt deiner Halswirbelsäule leicht heraussteht, das ist der C7. Und der kann im Schulterstand (und in Halasana, Supta Konasana etc.) ziemlich viel Druck abbekommen, wenn wir unser Körpergewicht auf ihn verlagern.
Falls du schon einmal aus der Finishing Sequence herausgekommen bist und leichte Nackenschmerzen hattest, dann war es wohl der C7. Wenn das zu häufig passiert, kann dieser Schmerz dich auch länger begleiten.
Besser ist:
Um das zu verhindern, brauchst du nur ein kleines Detail ändern: Schiebe im Schulterstand das Kinn leicht von der Brust weg. So verlagerst du weniger Druck auf den C7. So simpel und so gut. 😉
7. Im Chaturanga in die Schultern kollabieren.
Im Vinyasa Yoga übst du jeden Tag unzählige Chaturanga Dandasanas (Yogi Push-up oder Stockhaltung). Wenn die Pose dabei immer wieder in einer ungesunden Haltung ausgeführt wird, kann es zu Schmerzen und chronischen Verletzungen in den Schultern kommen.
Das sind die häufigsten Fehler in Chaturanga:
- Wir kollabieren wir in die Schultern, sodass die Schulterspitzen nach unten zeigen.
- Die Hände sind zu dicht an den Schultern, sodass der Ellenbogen weit unter 90° angewinkelt wird.
- Die Ellenbogen bewegen sich vom Brustkorb weg nach außen.
Nach einiger Zeit führt eine solche Fehlhaltung zur Überlastung der Muskeln und Gelenke. Die Folge: Schulterschmerzen, Verletzungen der Rotatorenmanschette (die von den Schulterblättern bis zum Oberarm zieht) und Nackenschmerzen.
Besser ist:
Wenn die Kraft noch nicht ausreicht für ein 1-a-Chaturanga, dann arbeiten wir zuerst am Kraftaufbau. Dazu kannst du statt Chaturanga Knie-Brust-Kinn (Ashtanga Namaskara) üben oder einfach im Chaturanga die Knie ablegen. So kräftigst du deine Arme, Schultern und den gesamten Oberkörper und übst die gesunde Körperhaltung ein. Nach einer Zeit kannst du Chaturanga sicher und souverän ausführen.
Und vergiss nicht: Eine Pose sicher, korrekt und mit ganzer Awareness auszuführen, ist unendlich viel besser, als eine fortgeschrittenere zu erzwingen. Und dir damit sogar zu schaden.
Eine super gute und detaillierte Erklärung zur Haltung in Chaturanga von Kino MacGregor findest du hier:
8. Den Rücken runden.
Den Rücken gerade halten und Länge hinein bringen, das ist das Ziel von 99 % aller Yoga-Posen. Selbst bei Twists geht es darum, die Wirbelsäule aufzurichten, auch wenn sie in sich gedreht ist.
In Vorbeugen und Drehungen neigen wir jedoch dazu, den Rücken zu runden. Diese Rundung komprimiert dabei die Wirbelsäule. Die Räume zwischen den Wirbeln werden zusammengedrückt, statt ausgedehnt. Im schlimmsten Fall kann das zum Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall führen.
Besser ist:
Achte besonders in den Vorbeugen darauf, den Rücken gerade zu halten und in die Länge zu ziehen. Gehe mit geradem Rücken in den Forward-Fold. Mit jeder Einatmung ziehst du deinen Rücken wieder lang und öffnest deinen Brustraum. Mit jeder Ausatmung gehst du ein kleines bisschen tiefer in die Dehnung. Jede Einatmung bringt deinen Rücken also wieder in eine gesunde Ausrichtung.
Die Devise ist hier: Gerader Rücken > tiefe Dehnung.
Denn eine ungesunde tiefe Dehnung kann nicht das Ziel sein.
9. Ins Hohlkreuz gehen.
Auch im Hohlkreuz üben wir Druck auf die Wirbelsäule aus. Hier wird vor allem der Lendenwirbelbereich zusammengeschoben. Gleichzeitig verlieren die Bauchmuskulatur und der Beckenboden an Spannung, welche den Rücken eigentlich stützen sollen. Dadurch können die berüchtigten Schmerzen im unteren Rücken entstehen.
Das Hohlkreuz passiert oft unbewusst im Yoga: besonders häufig im Warrior 1 und 2 oder in der Chair Pose. Der untere Rücken wird durchgedrückt und kommt so in eine gestauchte Fehlhaltung.
Besser ist:
„Tuck your tailbone“ wurde mir schon mindestens 1.000 Mal von meinen Lehrern gesagt, bis ich mich selbst daran erinnert habe. Das heißt: Kippe dein Steißbein nach vorne. Dabei wandert der Po nach vorn, die Bauchmuskeln und der Beckenboden werden an-geswitcht. Ziehe gleichzeitig deine unteren Rippen ein, um zurück in die gerade Haltung zu kommen und die oberen Bauchmuskeln zu aktivieren. So verschwindet das Hohlkreuz automatisch. Der untere Rücken ist nun gerade, stark und stabil.
10. Druckgefühl in Rückbeugen ignorieren.
Dieser Fehler war mir lange nicht bewusst: Wenn du aus einer Rückbeuge herauskommst, sollte sich dein Rücken neutral anfühlen. Klar, du solltest keine Schmerzen haben. Du solltest aber auch kein Druckgefühl spüren.
Genau dieses unbequeme Gefühl habe ich immer nach Rückbeugen empfunden. Es war kein Schmerz und es war immer da – also dachte ich, es sei völlig normal. Bis unser Lehrer in der Yogalehrer-Ausbildung uns speziell darauf hingewiesen hat.
Das Druckgefühl sagt dir, dass die Wirbelsäule sich nicht ausreichend in die Länge streckt und die stützende Muskulatur zu schwach ist. So werden die Fortsätze der Wirbelsäule (also die von außen spürbaren Höcker) in der Rückbeuge gegeneinandergedrückt. Dabei können sie sich verkeilen oder Muskelstränge und Nerven einklemmen.
Besser ist:
Wenn du ein unangenehmes Gefühl bei oder nach Rückbeugen empfindest, dann gehe nicht so tief in die Beuge hinein. Auch, wenn deine Flexibilität es zulässt. Um deine Wirbelsäule zu schützen, baue deine Rücken- und Bauchmuskulatur mehr auf. So entsteht mehr Länge im Rücken bzw. Raum zwischen den Wirbeln und Verletzungen wird vorgebeugt.
Schmerz als Lehrer: Verletzungen haben auch etwas Gutes
Ich durfte schon die eine oder andere Verletzung durchleben. Nach dem letzten Monat Ashtanga-Praxis in Mysore haben meine Beinrückseiten gestreikt – so sehr, dass ich letztlich pausieren musste.
Doch dadurch hatte ich Gelegenheit, mich genauer mit dem Zusammenspiel aus Muskeln, Bändern und Faszien auseinanderzusetzen. Ich habe viel über eine Hamstring-freundliche Yoga-Praxis gelernt – was meine eigene Praxis sehr bereichert hat. Und ich bin jetzt in der Lage, dieses Wissen weiterzugeben.
Jede Verletzung ist auch eine Chance, den Körper und das Ego besser verstehen zu lernen. So glaube ich, dass eigene Fehler und Verletzungen einen sogar zu einem besseren Yoga-Lehrer machen.
Häufige Yoga-Fehler im Überblick
Hier gibt es nochmals alle häufigen Fehler im Yoga zusammengefasst auf einen Blick:
- Zu viel dehnen, zu wenig Kraft aufbauen.
- Knie-Schmerzen im Lotus und Tryanga aushalten.
- Knie über die Zehen schieben.
- Mit Muskelkraft in Asanas hineinziehen oder –drücken.
- Im Chaturanga in die Schultern kollabieren.
- Die Schultern hochziehen.
- Zu viel Druck im Schulterstand auf den C7-Halswirbel geben.
- Den Rücken runden.
- Ins Hohlkreuz gehen.
- Druckgefühl in Rückbeugen ignorieren.
Hattest du schon einmal eine Yoga-Verletzung? Was hast du daraus gelernt? Verrate es mir in den Kommentaren!
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Meine Favoriten findest du hier: (Ich übe seit 4 Jahren glücklich auf meiner Jade-Matte)
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